Angst, Ohnmacht, mangelndes Vertrauen: Jeder Dritte meidet Informationen zur eigenen Gesundheit

In Kürze:
- Eine Meta-Analyse basierend auf 92 Studien ergab, dass etwa ein Drittel der Menschen medizinische Informationen meidet – besonders bei schweren Erkrankungen.
- 16 Faktoren treiben die Informationsvermeidung an, darunter auch Überforderung, Angst und ein geringes Vertrauen in das medizinische System.
- Laut den Forschern könne dem ein höheres Vertrauen in das Gesundheitssystem entgegenwirken.
Krankheiten früh zu erkennen, ist oft der Schlüssel für eine erfolgreiche Behandlung. Dennoch gehen zu wenige Menschen zu Vorsorge, Früherkennung oder Check-ups. Warum ist das der Fall?
Mangelnde Aufklärung oder hohe Kosten können das Verhalten vielfach nicht erklären, so die untersuchenden Forscher vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. In Deutschland würden Krankenkassen ihre Versicherten auf entsprechende Angebote hinweisen und in vielen Fällen die Kosten übernehmen.
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Die Forscher behaupten anhand ihrer neuesten Studie stattdessen: Rund ein Drittel der Menschen möchte nichts über mögliche schwere Erkrankungen wissen – selbst wenn sie potenziell betroffen sind. Ralph Hertwig, einer der Mitautoren der Studie, sagte dazu:
„Eine Möglichkeit ist, dass Menschen sich ganz bewusst zu gewolltem Nichtwissen entscheiden. Das ist ein Phänomen, das wir bereits aus anderen Lebenskontexten kennen und das ganz vielfältige Gründe haben kann.“
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Alzheimer vor Krebs und Diabetes
Die Forscher haben Daten aus 92 Studien mit insgesamt 564.497 Teilnehmern aus 25 Ländern inklusive Deutschland analysiert. Sie wollten wissen, wie weit die Vermeidung medizinischer Informationen verbreitet ist – und welche Gründe Menschen dafür haben. Derartige Einschätzungen fehlten bisher auf globaler Ebene, obwohl sie für die Ausgestaltung von Gesundheitssystemen entscheidend seien.
Die analysierten Studien umfassen unter anderem die Krankheiten Alzheimer, Huntington, HIV/Aids, Krebs und Diabetes. Als Informationsvermeidung definierten die Autoren „jede Form von Verhalten, die darauf abzielt, die Beschaffung verfügbarer, aber potenziell unerwünschter Informationen zu verhindern oder zu verzögern“. Dazu gehört beispielsweise, Arztbesuche hinauszuzögern oder gar nicht erst wahrzunehmen, medizinische Tests nicht durchzuführen oder die Ergebnisse nicht zur Kenntnis zu nehmen.
Das Phänomen, die Augen insbesondere vor schweren Krankheiten zu verschließen, ist demnach keineswegs ungewöhnlich: Fast ein Drittel der Probanden meidet medizinische Informationen oder wird sie wahrscheinlich meiden.
Am höchsten war die Quote bei den beiden unheilbaren neurodegenerativen Krankheiten. Bei Alzheimer lag sie bei 41 Prozent, bei Huntington bei 40 Prozent. Bei schweren, aber behandelbaren Krankheiten wie einer HIV-Infektion oder Krebs sank sie auf 32 respektive 29 Prozent. Mit 24 Prozent am geringsten ausgeprägt, aber immer noch hoch, war das Vermeidungsverhalten bei Diabetes.
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Warum Menschen Informationen ausblenden
Besonders aufschlussreich sei für die Forscher die Analyse der Gründe. Sie haben insgesamt 16 Faktoren ermittelt, die ein Vermeidungsverhalten begünstigen sollen – weder Geschlecht noch ethnische Zugehörigkeit fielen darunter. Die stärksten Prädiktoren waren vielmehr:
- Überforderung, weil etwa eine Krebserkrankung komplex und aufreibend sein kann,
- der Eindruck, die Gesundheit nicht selbst in die Hand nehmen zu können,
- die Furcht vor Verurteilung durch Andere – etwa durch einen positiven HIV-Test,
- und mangelndes Vertrauen in das medizinische System und eine geringere Hoffnung, gut behandelt zu werden.
Aufgrund der Datenlage konnten die Forscher nicht untersuchen, in welchem Ausmaß die Vermeidung den Gesundheitszustand der Bevölkerung beeinflusst. Dazu sind weitere Studien nötig. Zudem zogen sie keine direkten Vergleiche zwischen einzelnen Ländern. Die Studie zeigt also nicht, ob das Verhalten etwa in Deutschland anders ist als in Frankreich oder den USA.
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Was sich daraus ableiten lässt
Für die künftige Gesundheitspolitik lassen sich dennoch wichtige Schlüsse ziehen, so die Forscher. Die Ergebnisse zeigen etwa, dass die Vermeidung medizinischer Informationen keineswegs ein ungewöhnliches menschliches Verhalten und auch nicht zwingend irrational ist. Vielmehr scheint das gesellschaftliche und strukturelle Umfeld einen starken Einfluss zu haben.
„Unsere Erkenntnisse deuten darauf hin, dass ein Rückgang des Vertrauens mit einem Anstieg der Informationsvermeidung einhergeht“, sagte Erstautor der Studie Konstantin Offer. „Die Steigerung des Vertrauens in das medizinische System könnte daher zu einer stärkeren Auseinandersetzung mit medizinischen Informationen führen“, so Offer weiter.
Die Studie erschien am 10. August 2025 in der Fachzeitschrift „Annals of Behavioral Medicine“.
Mit Material der Max-Planck-Gesellschaft.
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