Folletts „Stonehenge – Die Kathedrale der Zeit“: Ein spekulativer Fehlschlag
In Kürze:
- Der Bestsellerautor Ken Follett hat mit seinem Buch „Stonehenge – Die Kathedrale der Zeit“ im September 2025 einen weiteren historischen Roman auf den Markt gebracht.
- Die Handlung spielt mit dem Bau des berühmten Stonehenge nicht wie gewohnt im Mittelalter oder in der frühen Neuzeit, sondern im 4.500 Jahre zurückliegenden Neolithikum.
- Aufgrund der dünnen historischen Faktenlage ist der Roman vor allem mit umfassenden, fantasievollen Lebensgeschichten der Charaktere gespickt.
Vor 4.500 Jahren beschlossen benachbarte Stämme im prähistorischen Südwesten Englands, eines der berühmtesten Monumente aller Zeiten zu errichten. Ohne die Hilfe von Flaschenzügen oder Kränen fand diese junge Kultur einen Weg, massive Steine mit einem Gewicht von jeweils 2 bis 30 Tonnen über eine Strecke von bis zu 240 Kilometern durch unwegsames Gelände zu transportieren, um die als Stonehenge bekannte Stätte zu errichten.
Diese Sandsteinblöcke wurden anscheinend nach Sonnen- und Mondereignissen ausgerichtet, insbesondere nach der Sommersonnenwende. Historiker veranlasste dies zu der Annahme, dass es sich um ein prähistorisches Observatorium handelte.
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Wer auch immer diese Menschen waren, Stonehenge beweist, dass sie ein fortgeschrittenes Verständnis der Himmelsbewegungen hatten. Der Bau selbst deutet auf die Existenz einer außergewöhnlichen sozialen Organisation hin, die zu langfristiger Planung, Zusammenarbeit und Mobilisierung von Ressourcen fähig war. Aber wer waren sie? Wie haben sie das geschafft? Ken Follett hat versucht, diese Fragen zu beantworten.
Folletts Liebe zur Geschichte
Follett liebt es offensichtlich, sich von der Vergangenheit inspirieren zu lassen. Seine Karriere begann als erfolgreicher Thrillerautor. Der Durchbruch gelang ihm mit dem Roman „Die Nadel“ (1978), einer spannenden Spionagegeschichte aus dem Zweiten Weltkrieg, die ihn als einen der wichtigsten Autoren dieses Genres etablierte. In den 1980er-Jahren folgten mehrere packende Thriller, darunter „Dreifach“ (1980), „Der Schlüssel zu Rebecca“ (1982) und „Der Mann aus Sankt Petersburg“ (1982).
Dann wagte Follett mit „Die Säulen der Erde“ (1990) einen neuen Ansatz. Dieser mitreißende historische Roman spielt im England des 12. Jahrhunderts und dreht sich um den Bau einer Kathedrale in der fiktiven Stadt Kingsbridge. „Die Säulen der Erde“ war eine deutliche Abkehr von seinem früheren Stil und konzentrierte sich mehr auf die Charakterentwicklung, historische Details und moralische Komplexität.
Die Fans von Folletts Thrillern waren zunächst nicht begeistert von dieser Idee. Das Buch entwickelte sich rasch zu einem seiner meistgelesenen Werke. Sein Erfolg veranlasste ihn, Fortsetzungen wie „Die Tore der Welt“ (2007), „Das Fundament der Ewigkeit“ (2017) und die Vorgängergeschichte „Kingsbridge – Der Morgen einer neuen Zeit“ (2020) sowie weitere historische Romane zu schreiben.

Bestsellerautor Ken Follett mit seinem Roman „Das Fundament der Ewigkeit“. Foto: Hannelore Foerster/Getty Images
Mit „Stonehenge – Die Kathedrale der Zeit“ richtete Follett seinen Blick noch weiter in die Vergangenheit. So schuf er eine Geschichte rund um den Bau des berühmten neolithischen Wunderwerks, das bis heute steht.
„Ich habe bereits über Momente großer menschlicher Leistungen geschrieben und mich schon immer für Geschichten über normale Menschen interessiert, die scheinbar Unmögliches vollbringen. Und was könnte außergewöhnlicher sein als der Bau dieses gewaltigen Monuments?“, so Follett.
Jedoch könnte dies eine etwas zu große Herausforderung für seine Vision gewesen sein.
Hirten, Bauern und Waldmenschen
„Stonehenge – Die Kathedrale der Zeit“ spielt um 2500 v. Chr. in der Großen Ebene, dem Süden des heutigen Großbritanniens. Follett erzählt traditionell die miteinander verflochtenen Lebensgeschichten mehrerer Charaktere, deren Schicksale sich in dem Traum vereinen, ein dauerhaftes Monument aus Stein zu errichten.

Blick auf einen Teil von Stonehenge. Foto: jessicaphoto/iStock
Seft, ein begabter junger Feuersteinhauer, möchte unbedingt seiner brutalen Familie entfliehen und sehnt sich nach einer besseren Zukunft. Er ist verliebt in Neen, ein hübsches Mädchen aus der Nachbarschaft, deren Hirtenfamilie liebevoll zusammenlebt und relativ wohlhabend ist. Neens Mutter Ani trauert um ihren Mann, der von einer Kuh totgetrampelt wurde. Sie steht der gemeinsamen Zukunft von Neen und Seft offen gegenüber und hofft, dass alle ihre Kinder bald eine Familie gründen und ihr Enkelkinder schenken werden.
Aber Neens Schwester Joia hat größere Ambitionen, die über das Leben als Hirte hinausgehen. Nachdem sie heimlich das Morgenritual der Priesterinnen, die Follett als religiöse Führerinnen des Stammes ausgewählt hat, miterlebte, möchte Joia sich ihnen anschließen. Sie interessiert sich besonders für die unter den Priesterinnen verbreitete Homosexualität.
Als das bestehende Holzdenkmal zerstört wird, stecken Joia und Seft ihre Köpfe zusammen. Sie beschließen, es aus Stein wiederaufzubauen, in der Überzeugung, dass ein solches Bauwerk die Stämme vereinen würde. Unweigerlich entstehen konkurrierende Interessen. Bauern, Hirten und Waldbewohner streiten sich um die knappen Ressourcen. Troon, der mächtige Stammesführer der Bauern, wird zu einem gewalttätigen Gegner.
Während Dürre und Misstrauen zunehmen, müssen Joia und Seft politische Allianzen schmieden, körperlich harte Arbeit leisten und spirituelle Überzeugungen einbringen, um ihre Vision eines Steinkreises zu verwirklichen.
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Eine grobe Konstruktion
Positiv ist, dass „Stonehenge – Die Kathedrale der Zeit“ eine Zeit zum Leben erweckt, die sich so sehr von den meisten historischen Romanen unterscheidet, dass sie fast schon Science-Fiction oder Fantasy ist. Follett gibt die ungewohnten Landschaften und die raue Kultur sehr gut wieder, was angesichts seines immensen Talents nicht verwunderlich ist. Die Prosa ist direkt und schnörkellos, wenn auch ein wenig prosaisch, aber sie spiegelt die soziale und physische Umgebung gut wider.
Allerdings gibt es zwei wesentliche Probleme mit dem neuen Roman. Zum einen gibt es kaum Charakterentwicklung oder -tiefe. Die Guten sind einfach gut und die Bösen sind schreckliche Menschen, obwohl nicht vollständig erklärt wird, wie sie so geworden sind. Im Laufe der Geschichte verändert sich also niemand wirklich.
Das zweite, viel größere Problem ist, dass es ewig dauert, bis mit dem eigentlichen Bau von Stonehenge begonnen wird. Follett verbringt zu viel Zeit damit, Stammesdramen und persönliche Konflikte zu schaffen. Dies ist vielleicht eine Möglichkeit, die Bühne für das große Spektakel vorzubereiten. Doch fast zwei Drittel des Buches sind vorbei, bevor es überhaupt losgeht.
In dem Bestseller „Die Säulen der Erde“ war die Kathedrale Dreh- und Angelpunkt. Ihre ständige Präsenz trieb die Geschichte fast in jedem Moment voran. Natürlich gibt es eine Fülle von Forschungsergebnissen über das Mittelalter.
In einem Interview von Follett über seine Recherchen zu „Stonehenge – Die Kathedrale der Zeit“ gab er zu, dass es nicht viele harte Fakten gab, die er verwenden konnte. Archäologen und Historiker wissen einfach nicht viel über die Menschen, die Stonehenge einst erbauten. Stattdessen stützte er sich auf seine persönlichen Spekulationen. Das Ergebnis ist leider enttäuschend dünn, vor allem im Vergleich zu seinen früheren Werken.
Zum Buch:
Stonehenge – Die Kathedrale der Zeit
Verlag: Lübbe
Seitenzahl: 672
ISBN: 978-3-7577-0123-9

„Stonehenge – Die Kathedrale der Zeit“ von Ken Follett. Foto: Verlag Lübbe
Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „‘Circle of Days’: A Speculative Misfire“. (redaktionelle Bearbeitung kms)
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