Fritz Vahrenholt: Der Flop von Belem

In einem Gastkommentar spricht der ehemalige Hamburger Umweltsenator Prof. Fritz Vahrenholt unter anderem über die Abwesenheit wichtiger Staatschefs bei der Klimakonferenz in Belem, Brasilien, und ein neues, staatlich abgesichertes Geschäftsmodell für Privatinvestoren, dem die deutsche Regierung gespalten gegenübersteht.
Der Schutz des Regenwaldes soll einer der zentralen Punkte auf der UN-Klimakonferenz COP30 in Belem, Brasilien, sein, für die im Vorfeld große Flächen Regenwald abgeholzt wurden, unter anderem für den Bau einer vierspurigen Autobahn für die Konferenzteilnehmer.
Der Schutz des Regenwaldes soll einer der zentralen Punkte auf der UN-Klimakonferenz COP30 in Belem, Brasilien, sein, für die im Vorfeld große Flächen Regenwald abgeholzt wurden, unter anderem für den Bau einer vierspurigen Autobahn für die Konferenzteilnehmer.Foto: Mauro Pimentel / Getty Images, Bildmontage: Epoch Times
Von 14. November 2025

Die Abweichung der globalen Mitteltemperatur vom langjährigen Mittel der Satellitenmessungen hat sich im Oktober im Vergleich zum Vormonat nicht geändert. Sie liegt bei 0,53 Grad Celsius und damit weiterhin nur geringfügig über den Werten von Juli und August, die mit 0,36 respektive 0,39 Grad Celsius die geringsten Abweichungen seit mehr als zwei Jahren verzeichneten.

Damit bleibt auch der seit über einem Jahr andauernde Abkühlungstrend intakt. Die amerikanische Ozean- und Atmosphärenbehörde NOAA sieht für diesen Winter eine kühle La Niña im Pazifik aufziehen, was zu einem weiteren Rückgang auch der globalen Temperaturen führen wird. Die Zusammenhänge von Meeresströmungen und Temperaturen habe ich in früheren Beiträgen thematisiert.

Die Temperaturen im Oktober 2025 überstiegen das langfristige Mittel um +0,53 Grad Celsius.

Die Temperaturen im Oktober 2025 überstiegen das langfristige Mittel um +0,53 Grad Celsius. Der langfristige Trend liegt bei +0,16 Grad Celsius pro Jahrzehnt. Foto: Dr. Roy SpencerUniversity of Alabama, Huntsville

Klimakonferenz in Belem, Brasilien: außer Spesen nichts gewesen?

Noch ist die 30. UN-Klimakonferenz in Belem nicht zu Ende, aber es wird schon jetzt erkennbar, dass die als „Konferenz der Wahrheit“ angekündigte Veranstaltung als Kipppunkt in die Geschichte der Klimakonferenzen eingehen wird. Kein Staatschef der vier größten CO₂-emittierenden Nationen China – verantwortlich für 33 Prozent der weltweiten Emissionen –, USA (12 Prozent), Indien (8 Prozent) und Russland (5 Prozent) lassen sich in Belem sehen.

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Schon vor der Konferenz titelte die „New York Times“: „Die ganze Welt hat genug von der Klimapolitik.“ Und dass gerade Bill Gates, einer der größten Unterstützer und Sponsoren der Klimapolitik, ausgerechnet 14 Tage vor der Konferenz vor einer überzogenen, kurzsichtigen Klimapolitik warnte und den Wohlstand in den Mittelpunkt der Klimastrategie stellte, war ein Paukenschlag.

Glenn Beck, prominenter amerikanischer Fernsehmoderator, erklärte den Sinneswandel von Bill Gates: „Es geht nicht um Wissenschaft, es geht um Trump.“ Anders ausgedrückt, es geht nicht um Überzeugung, es geht um Schadensbegrenzung für das eigene Unternehmen, das milliardenschwere Investitionen in Rechenzentren in den USA und der Welt plant. Und die werden nach Lage der Dinge kurzfristig auf Strom aus neuen Gaskraftwerken zurückgreifen müssen, denn die Reaktivierung alter Kernkraftwerke wird nicht ausreichen und der Bau neuer Kernkraftwerke wird in den USA noch einige Jahre benötigen.

Deutschland: Vorreiter oder Außenseiter?

Für die Klimakonferenz in Belem mussten die Staaten berichten, wie sie es zukünftig mit dem Einsatz von Kohle, Öl und Gas halten. Dass nur ein Drittel überhaupt eine Erklärung abgab, gibt schon einen Hinweis auf die sich auflösende Bedeutung des Klimathemas in den meisten Nationen der Welt. Aber die Berichte, die eingingen, haben es in sich:

Die meisten Staaten meldeten weiter steigenden Einsatz von Kohle, Öl und Gas. Bis 2030 zeigen die Berichte einen Anstieg der weltweiten Kohlenutzung um 30 Prozent, bei Öl um 25 Prozent und bei Gas um 40 Prozent gegenüber 2015. Der Weltklimarat hoffte, die weltweiten CO₂-Emissionen bis 2030 gegenüber 2015 um 45 Prozent senken zu können. Stattdessen steigen sie weiter an.

Nur Europa hält unerschütterlich am Ziel fest, im Jahr 2050 Netto-Null-CO₂ auszustoßen. Deutschland, das industrielle Herz Europas, ist noch ehrgeiziger und nach Axel Bojanowski „damit ‚Primus‘ unter Industrieländern.“ Weiter schrieb der Chefreporter Wissenschaft der „Welt“:

„Es [Deutschland] will bis 2045 klimaneutral sein – ein selbstzerstörerischer Plan: Deutschlands Reduzierung wird durch steigende Emissionen in anderen EU-Ländern zwangsläufig kompensiert. Denn der europäische Emissionshandel sorgt dafür, dass Emissionsrechte, die in Deutschland nicht genutzt werden, in anderen EU-Ländern verbraten werden. Es wird immer deutlicher, was das ‚Wall Street Journal‘ meinte, als es Deutschlands Energiepolitik als die ‚dümmste der Welt‘ bezeichnete.“

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Wenige Tage vor der Konferenz einigten sich die europäischen Staaten auf ein gemeinsames Ziel, nämlich im Jahre 2040 eine CO₂-Minderung von 90 Prozent gegenüber 1990 zu erreichen. 5 Prozent der Selbstverpflichtung könnten durch Emissionsminderung im Ausland kommen, die natürlich (teuer) bezahlt werden muss.

Der deutsche Umweltminister bezeichnete diese Vereinbarung als „gute Nachricht für die deutsche Wirtschaft, da jetzt alle die gleichen Wettbewerbsbedingungen hätten“. Doch es gibt ein Problem: Die deutsche Industrie exportiert Waren nicht nur an europäische Länder. Über die Hälfte der Exporte geht in Länder außerhalb der EU. Dort treffen deutsche Waren aber auf einen Weltmarkt, der die Belastungen der deutschen Produkte durch CO₂-Abgaben und hohe Energiepreise nicht kennt und daher immer günstiger anbieten kann.

CO₂-Budget bereits 13 Jahre vor angestrebter Klimaneutralität aufgebraucht?

Bundeskanzler Merz und sein Umweltminister Schneider verharmlosen die deutsche Lage in eklatanter Weise. Denn Deutschland hat sich mit dem Klimaschutzgesetz selbst Daumenschrauben angesetzt, die schon in den nächsten Jahren höchst schmerzhaft wirken werden. Axel Bojanowski schrieb diesbezüglich:

„Das deutsche Klimaschutzgesetz, vom Bundesverfassungsgericht zementiert, scheint Drehbuch für eine ökonomische Katastrophe.“ Es erlaubt Deutschland nur noch ein Restbudget von 6,7 Gigatonnen CO₂, das Anfang der 2030er-Jahre verbraucht sein dürfte. Dann drohen laut Gesetz Strafen und Stilllegungen und Freiheitsbeschränkungen, um die Klimaziele einzuhalten.“

Es bleibt zu ergänzen: 6,7 Gigatonnen waren das noch zulässige Restbudget nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ab 2020. Bis heute sind davon nur noch 3,6 Gigatonnen übrig. Jedes Jahr reduziert sich der Puffer um etwa 0,5 Gigatonnen. 2032 wäre das Restbudget aufgebraucht und Deutschland am Ende der Fahnenstange des Bundesverfassungsgerichts angekommen. Das wird in der nächsten Legislaturperiode passieren. Nicht erst 2040.

Und Kanzler Merz sagte in seiner fünfminütigen Rede in Belem vor halbleerem Saal: „Die Wirtschaft ist nicht das Problem.“ Unsere Wirtschaft ist der Schlüssel, um unser Klima noch besser zu schützen.“

Weiß der Kanzler nicht, in welcher bedrohlichen Lage sich unsere Industrie befindet?

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Der Skandal um den Tropenwald

Das wahrscheinlich einzige Ergebnis der Belem-Konferenz wird die Einrichtung eines vom brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva vorgeschlagenen Investmentfonds zur Finanzierung des Schutzes tropischer Wälder sein (Tropical Forest Forever Facility, TFFF).

Belem liegt einem Gebiet großflächiger Rodung des Amazonasregenwaldes. Für die Klimakonferenz selbst wurden Tausende Hektar gerodet.

Belem liegt rund 200 km südöstlich der Amazonasmündung in einem Gebiet großflächiger Rodung des Amazonas-Regenwalds. Foto: Rainer Lesniewski/iStock

Der Fonds funktioniert wie folgt: Die Geberländer zahlen 25 Milliarden Dollar in den Fonds. 100 Milliarden sollen private Investoren (über Investmentfonds) einzahlen. Die Geberländer erhalten eine Rendite von etwa 4,0 bis 4,8 Prozent. Dies entspricht der Rendite ihrer Staatsanleihen, denn sie müssen das Geld in der Regel durch Staatsschulden beschaffen. Die Rendite der privaten Investoren beträgt 5,8 bis 7,2 Prozent. Das Geld des TFFF-Fonds wird in Staatsanleihen der Schwellenländer angelegt, die wegen des höheren Risikos vergleichsweise hohe Zinsen abwerfen. Brasilianische Staatsanleihen etwa liegen zurzeit bei 12,25 Prozent.

Bei der Gewinnausschüttung werden Privatinvestoren als Erste bedient, danach die Geberländer. Bleibt dann noch etwas übrig, geht der Betrag an 74 Länder mit Tropenwald. Man hofft auf diese Weise 3 bis 4 Milliarden Dollar jährlich an die Tropenwaldländer auszahlen zu können.

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Der Haken dabei ist: Damit Investoren überhaupt anbeißen, ist vorgesehen, die privaten Investoren in der Auszahlungsreihenfolge zu begünstigen. Zudem müssen die Geberländer den Fonds gegen Zahlungsausfall absichern. Ein Zahlungsausfall eines Schwellenlandes kann schnell zur Zahlungsunfähigkeit des Fonds führen. Dann müssen die Steuerzahler der Geberländer dafür in Haftung genommen werden – und verlieren im Extremfall ihr Kapital.

(K)Eine Milliarde für Tropenwaldfonds

In Vorbereitung auf Belem gab es fundamentalen Streit über die deutsche Beteiligung am Fonds zwischen dem Finanzministerium und dem Bundeskanzleramt. Das Bundeskanzleramt unter Friedrich Merz (CDU) sprach sich eindeutig für eine Teilnahme und eine Beteiligung mit mindestens einer Milliarde Dollar aus. Assistiert wurde es vom Umweltministerium unter Minister Schneider und dem Entwicklungshilfeministerium unter Ministerin Alabali-Radovan (beide SPD). Das Finanzministerium unter Lars Klingbeil (ebenfalls SPD) widersprach heftig, sah den Fond als Milliardenrisiko und bezweifelte die Tragfähigkeit der Fonds-Konstruktion.

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Tatsächlich ist das Modell für den deutschen Steuerzahler strukturell benachteiligend. Man könnte auch sagen: Wir subventionieren mit öffentlichem Geld die Rendite privater Investoren und übernehmen die Ausfallgarantie für Blackrock und Co. Das ist der Grund, warum das Bundesfinanzministerium eine Fondsbeteiligung Deutschlands hartnäckig blockiert und bislang die Interessen des deutschen Steuerzahlers gegen die Interessen von BlackRock und Co tapfer verteidigt hat.

Das ist zugleich der Hintergrund dafür, dass Bundeskanzler Merz in Belem keine Zahl, sondern nur einen „namhaften Betrag“ nennen konnte. Die Milliarde soll nun in der Haushaltsbereinigung für den Bundeshaushalt 2026 gefunden werden, die in dieser Woche stattfindet, um den Bundeshaushalt am 28. November verabschieden zu können. Es ist zu erwarten, dass die SPD die Fahne einziehen wird. Aber es kann ein Pyrrhussieg für Bundeskanzler Merz werden, der dann für jeden sichtbar die Interessen der internationalen Finanzinvestoren berücksichtigt haben wird. Insbesondere dann, wenn der Fonds in Schwierigkeiten kommen würde.

Finanzdschungel für Tropenwald

Ob der Fonds am Ende kommen wird, ist noch fraglich. Er soll erst bei einer Zeichnungssumme von 10 Milliarden Dollar durch die Geberstaaten in Kraft treten. Bislang kamen (ohne Deutschland) 5,6 Milliarden zusammen. Die USA und Großbritannien haben ihrerseits abgewunken.

Wenn der Fonds kommt, profitieren als Erstes die Investmentgesellschaften mit hohen und durch Staaten gesicherten Renditen und dann die Schwellenländer, die ihre hoch risikoreichen Staatsanleihen verkaufen können. Ob der Tropenwald in diesem unüberschaubaren Finanzdschungel profitieren wird, ist noch nicht ausgemacht. Das größte Risiko bleibt bei den Geberländern, die das Geld ihrer Steuerzahler mit der eingängigen Geschichte der Rettung des Regenwaldes aufs Spiel setzen.

Dieser Artikel erscheint voraussichtlich in Kürze im Original auf klimanachrichten.de unter dem Titel „Fritz Vahrenholt: Der Flop von Belem“. (redaktionelle Bearbeitung ts/Epoch Times)

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.



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