Zolldruck: Europäische Pharmaindustrie wendet sich mit Milliarden den USA zu

In Kürze:
- Die Zollpolitik der USA veranlasst große europäische Pharmaunternehmen zu neuen Maßnahmen.
- Die Konzerne wollen weiterhin von den großen wirtschaftlichen Chancen des US-Marktes profitieren.
- Es besteht jedoch weiterhin Unsicherheit darüber, wie die US-Zölle angewendet werden – besonders für EU-Länder.
Die US-Zollpolitik und der beispiellose Pharmamarkt der USA veranlassen europäische Arzneimittelhersteller zu höheren Investitionen. Hierzu zählen neue Produktionsstätten, Börsengänge in den USA und Preisnachlässe.
Seit Anfang 2025 haben europäische Arzneimittelhersteller ihre Präsenz in den USA verstärkt. Zuletzt gab der britische Pharmariese AstraZeneca am 29. September eine direkte Notierung an der New Yorker Börse bekannt. Nur Monate zuvor hatte das Unternehmen Investitionen in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar (42,6 Milliarden Euro) bis 2030 zugesagt.
Das britische Pharmaunternehmen Indivior gab im Juli seine Notierung in London auf, um ausschließlich am Aktienindex Nasdaq zu handeln. Die Schweizer Pharmagiganten Roche und Novartis gaben im April Expansionspläne in den USA im Wert von umgerechnet 19,6 Milliarden Euro und 42,6 Milliarden Euro bekannt. Das französische Unternehmen Sanofi hat ebenfalls mindestens 17 Milliarden Euro für amerikanische Projekte bis 2030 zugesagt.
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Wirkung durch Washington
Diese Schritte spiegeln die Anziehungskraft des US-Marktes wider, der 2024 mehr als die Hälfte des weltweiten Umsatzes mit verschreibungspflichtigen Medikamenten ausmachte. Gleichzeitig sind sie Ausdruck der politischen Signale aus Washington.
Am 25. September kündigte US-Präsident Donald Trump nach monatelangen Warnungen vor Zöllen auf Arzneimittel eine 100-prozentige Abgabe auf Importe von Marken- und patentierten Medikamenten ab dem 1. Oktober 2025 an, sofern die Hersteller keine Werke in den Vereinigten Staaten errichten.
„Die Pharmaunternehmen sind sich der Aussagen des Weißen Hauses sehr bewusst und handeln entsprechend“, sagte Russ Mould, Investmentdirektor bei der britischen Investmentplattform AJ Bell, gegenüber der US-amerikanischen Epoch Times.
Er sagte, dass die USA als größte Volkswirtschaft und größter Pharmamarkt der Welt kein Ort seien, an dem ein Geschäftsführer das Risiko eingehen wolle, einen Wettbewerbsnachteil zu erleiden.
US-Markt stellt Konkurrenten in den Schatten
Laut Daten der European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (Europäischen Föderation der pharmazeutischen Industrie und Verbände) entfielen im vergangenen Jahr 54,8 Prozent der weltweiten Verschreibungsumsätze auf Nordamerika. In Europa waren es dagegen nur 22,7 Prozent.
Zwischen 2019 und 2023 wurden zwei Drittel aller neuen Medikamente zuerst in den USA auf den Markt gebracht. In den fünf größten Märkten Europas waren es hingegen nur 16 Prozent.
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Aufgrund dieser Dominanz sind nicht amerikanische Arzneimittelhersteller einem hohen Zollrisiko ausgesetzt. Die Europäische Union exportierte im Jahr 2024 Medikamente im Wert von fast 120 Milliarden Euro in die USA. Damit ist Amerika laut der EU-Kommission der größte Handelspartner der EU im Pharmabereich.
Allein Großbritannien lieferte von Januar bis März 2025 pharmazeutische Produkte im Wert von 7 Milliarden Pfund (gut 8 Milliarden Euro) über den Atlantik, wie Daten der britischen Regierung zeigen.
Branchenanalysten sagen, dass die US-Zollpolitik in Verbindung mit Trumps Bestrebungen, die Arzneimittelpreise in den USA zu senken, strategische Veränderungen beschleunigt.
Geschäftsverlagerung „ist ziemlich großes Unterfangen“
„Es sieht tatsächlich so aus, als wäre das die Richtung, in die es geht“, sagte Susannah Streeter, Geld- und Marktanalystin bei der britischen Beratungsfirma Consultable, gegenüber Epoch Times. „Wenn Unternehmen planen, eine Fabrik in den Vereinigten Staaten zu bauen, werden sie von zusätzlichen Zöllen befreit. Dies beschäftigt die Pharmagiganten derzeit sehr, wo sie ihre zukünftigen Produktionsstätten ansiedeln sollen.“
Streeter sagte, dass der Trend, Börsennotierungen von Europa in die USA zu verlagern, weitgehend davon abhängt, wo sich das Kerngeschäft der Unternehmen befindet. Im Fall von AstraZeneca machten die US-Umsätze im ersten Quartal 2025 rund 42 Prozent des regionalen Umsatzes aus.
Kleinere Unternehmen, so Streeter, würden einen solchen Schritt aufgrund des erforderlichen Kapitals und der Notwendigkeit einer etablierten Kundenbasis in den USA eher seltener wagen.
„Das ist ein ziemlich großes Unterfangen. Man benötigt sicherlich viel Kapital, um den gesamten Betrieb zu verlagern, ihn zu entwurzeln und in die Vereinigten Staaten zu verlegen. Natürlich muss man sicherstellen, dass man dort über eine starke Kundenbasis verfügt“, so Streeter. „Bei den größeren Unternehmen ist es daher wahrscheinlich, dass man eine schnellere Entwicklung beobachten wird.“
Laut der Analystin liege für Investoren der Grund für diese Verlagerungen darin, höhere Zölle zu vermeiden, die die Kosten für Medikamente in den USA in die Höhe treiben könnten. „Die Hoffnung ist, dass sie höhere Zölle vermeiden können, die die Medikamente verteuern würden […], damit sie sicherstellen können, dass ihre Medikamente einen möglichst breiten Kundenstamm erreichen“, sagte Streeter.
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Der Druck aus Europa und Großbritannien
Großbritannien gibt insgesamt weit weniger für Medikamente aus, nur 9 Prozent seines Gesundheitsbudgets. In Frankreich, Deutschland und Italien sind es dagegen 15 bis 17 Prozent, wie Daten des Association of the British Pharmaceutical Industry (des Verbands der britischen pharmazeutischen Industrie, ABPI) zeigen. Laut Streeter helfe dies, zu erklären, „warum man zuerst eine Abkehr vom Vereinigten Königreich sieht“.
In Großbritannien müssen Pharmaunternehmen einen großen Teil ihrer Umsätze im Rahmen staatlicher Rabattprogramme zurückgeben.
Im Jahr 2025 werden Unternehmen, die am freiwilligen Hauptprogramm teilnehmen, 22,9 Prozent ihrer Einnahmen aus dem Verkauf neuerer Medikamente an den National Health Service (Nationalen Gesundheitsdienst) zurückgeben. Hingegen müssen Unternehmen, die am gesetzlichen Programm teilnehmen, ab Juli 31,3 Prozent zahlen. Das entspricht einem Jahresdurchschnitt von 23,4 Prozent.
Die Sätze sollen 2026 weiter auf 24,3 Prozent und 2027 auf 26 Prozent steigen. Im Vergleich dazu sind die Rückforderungen in anderen europäischen Ländern weitaus geringer. Laut des ABPI liegen sie in Deutschland bei rund 7 Prozent, in Irland bei 9 Prozent und in Frankreich bei 5 bis 12 Prozent.
Der Druck beschränkt sich nicht nur auf Großbritannien. Auch die EU überarbeitet derzeit ihre Arzneimittelvorschriften, die festlegen, wie lange Unternehmen ein neues Medikament ohne Konkurrenz durch Generika verkaufen können. Im Juni 2025 unterstützten die EU-Regierungen einen Plan, der Unternehmen mindestens acht Jahre lang Schutz gewährt, teilweise sogar bis zu zwei weiteren Jahren.
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Preisdruck in den USA und der Pfizer-Deal
Obwohl auch Washington auf niedrigere Arzneimittelpreise drängt, bieten die USA immer noch größere Vorteile als Europa. Das liegt an der Größe der Vereinigten Staaten, ihrer höheren Liquidität des Aktienmarktes und der Priorität bei der Einführung neuer Medikamente.
Nach dem Abkommen vom 30. September, in dem Pfizer sich bereit erklärte, die Medikamentenpreise für die Empfänger des staatlichen Versicherungsprogramms Medicaid an die Preise in anderen Industrienationen anzupassen, sagte die Schweizer Lobbyorganisation Scienceindustries, dass andere europäische Unternehmen mit ähnlichen „Minideals“ folgen könnten. Generaldirektor Stephan Mumenthaler sagte gegenüber „Reuters“, er erwarte „in den kommenden Tagen und Wochen eine Reihe von Ankündigungen“.

Pfizer-CEO Albert Bourla (l.) spricht am 30. September 2025 bei einer Ankündigungsveranstaltung zu verschreibungspflichtigen Medikamenten mit Medicare- und Medicaid-Administrator Mehmet Oz (M.) und US-Präsident Donald Trump im Oval Office des Weißen Hauses in Washington, D.C. Foto: Brendan Smialoski/AFP via Getty Images
Sowohl AstraZeneca als auch Sanofi haben am 26. September Maßnahmen vorgestellt, die darauf abzielen, erschwinglichere Medikamentenpreise für Patienten anzubieten.
Für einige Unternehmen erscheint der US-Markt aufgrund seiner finanziellen Stärke ebenfalls attraktiver.
„Die Londoner Börse leidet unter einer geringeren Liquidität, was sicherlich im Vergleich zu den Vereinigten Staaten, wo es ein enormes Handelsvolumen gibt, ein Grund zur Sorge ist“, sagte Streeter. „Es gibt Bedenken darüber, zumindest in London.“
Zollunsicherheit und Investitionsaussichten
Es besteht weiterhin Unsicherheit darüber, wie die US-Zölle angewendet werden, insbesondere für EU-Länder. Im Rahmen eines im Juli mit den USA geschlossenen Handelsabkommens wurden die Zölle auf Arzneimittel auf 15 Prozent begrenzt.
Die Trump-Regierung bestätigte die Ausnahmen am 25. September offiziell. Am folgenden Tag erklärte der irische Außenminister Simon Harris, Dublin werde die Auswirkungen der umfassenderen Zollankündigungen untersuchen, begrüßte jedoch die Ausnahmen für EU-Produkte im Rahmen des Abkommens.
Parallel dazu vereinbarten die USA und Großbritannien im Rahmen eines kürzlich geschlossenen Handelsabkommens, sich für bessere Handelsbedingungen für in Großbritannien hergestellte Medikamente und Inhaltsstoffe einzusetzen. Das hängt vom Ergebnis einer Überprüfung durch die USA ab, ob bestimmte Importe die nationale Sicherheit gefährden.
„Ich bin nach wie vor der Meinung, dass es ein Fragezeichen gibt, wie belastend die Zölle tatsächlich sein würden, besonders für Arzneimittelhersteller mit Sitz in der Europäischen Union“, sagte Streeter.
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Gewinnreduktion durch Zölle
Unterdessen erklärte das US-amerikanische Finanzdienstleistungs- und Investmentforschungsunternehmen Morningstar am 25. September, dass Zölle auf importierte Arzneimittel wahrscheinlich nur begrenzte langfristige Auswirkungen auf große Arzneimittelhersteller haben würden.
Das Unternehmen schätzte, dass ein Zollsatz von 15 Prozent die Gewinne von US-Unternehmen um rund 9 Prozent und die von europäischen Unternehmen um 6 Prozent reduzieren würde. Die Auswirkungen würden jedoch wahrscheinlich durch Maßnahmen wie die Auslagerung der Produktion und die Sicherung mehrerer Lieferanten für wichtige Inhaltsstoffe gemildert.
Die Analysten merkten jedoch an, dass europäische Konzerne wie AstraZeneca und Novartis zwar mit höheren Vorlaufkosten für eine Expansion in den USA konfrontiert seien, sie im Laufe der Zeit jedoch von geringeren Handelsrisiken profitieren könnten.
Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „Goaded by Tariffs, European Pharmaceutical Industry Pivots to the US“. (Übersetzung und redaktionelle Bearbeitung mf)
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