Das Ende der Ära Baerbock: Wie die Koalition die deutsche Außenpolitik verändern will

Das bevorstehende Ende der Ära Baerbock in der Außenpolitik ist nicht mit erheblichen Veränderungen verbunden. Die grundlegenden Narrative der deutschen Regierungspolitik bleiben gleich. Dass vor allem in der Entwicklungspolitik neben „Werten“ auch „Interessen“ Entscheidungen leiten sollen, könnte in Teilbereichen zu Änderungen führen.
Unionsfraktionsvize Wadephul sieht einen schweren Stand für Europa bei der neuen US-Regierung. (Archivbild)
Unions-Fraktionsvize Johann Wadephul könnte künftig für die Außenpolitik zuständig sein. (Archivbild)Foto: Christian Charisius/dpa
Von 13. April 2025

Noch ist nicht offiziell bestätigt, wer im künftigen Bundeskabinett Annalena Baerbock im Auswärtigen Amt nachfolgen wird. Vieles deutet auf Johann Wadephul hin, der in der Nachfolgedebatte der CDU zu Annegret Kramp-Karrenbauer als Unterstützer von Norbert Röttgen in Erscheinung getreten war. Diese personelle Veränderung wirft die Frage auf, ob damit auch substanzielle Veränderungen in Deutschlands Außenpolitik zu erwarten sind.

Konfrontation mit Russland weiterhin zentral für deutsche Außenpolitik

Der am Mittwoch, 9. April, erstmals der Öffentlichkeit präsentierte Koalitionsvertrag deutet kaum auf grundlegende Neuorientierungen hin. Russland wird als „größte und direkteste Bedrohung“ definiert, dessen „Machtstreben“ sich gegen die „regelbasierte internationale Ordnung“ richte.

Die Ukraine hingegen bleibt das Opfer eines „brutalen und völkerrechtswidrigen Angriffskriegs“. Die Konsequenz daraus müsse eine umfassende Aufrüstung Europas und der Ukraine selbst sein. Einen Friedensschluss kann sich auch die künftige Bundesregierung demnach nur vorstellen, wenn Kiew dabei „aus einer Position der Stärke und auf Augenhöhe“ agiere.

Deutschland will weiterhin „multilaterale Strukturen“ stärken und betrachtet die UNO als das „Rückgrat der regelbasierten internationalen Ordnung“. Im Zyklus 2027/28 strebt man „mit Entschlossenheit“ einen nichtständigen Sitz im Weltsicherheitsrat an. Während die USA unter Präsident Donald Trump Sanktionen gegen den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in die Wege geleitet haben, will die deutsche Regierung diesem noch zusätzliche Kompetenzen verleihen.

Deutschland will noch schärfer gegen Abweichler in der EU vorgehen

So will man sich dafür einsetzen, „das Verbrechen der Aggression ohne Einschränkungen in die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs aufzunehmen“. Generell will man „allen Versuchen, global Freiheits- und Menschenrechte aufzuweichen, Menschenrechtsverteidiger und Zivilgesellschaft“ einzuschränken, „entschlossen entgegentreten“.

Die „globalen Sanktionsregeln der EU im Bereich der Menschenrechte“ sollen nach dem Willen der Koalitionäre „gezielter und umfassender zum Einsatz kommen“. Generell stehen in der außenpolitischen Ausrichtung Deutschlands weiterhin die „europäischen Werte“ im Vordergrund. Diese stünden „angesichts historischer Veränderungen unter Druck“.

Gerade deshalb will die künftige deutsche Regierung „noch konsequenter“ gegen Mitgliedstaaten vorgehen, die diesen Konsens untergraben. Sollten diese die „Grundwerte aus Artikel 2 EU-Vertrag“ nach deutscher Wahrnehmung nicht hinreichend beachten, sollen „bestehende Schutzinstrumente […] deutlich konsequenter als bisher“ zur Anwendung kommen.

Kulturinstitute und Stiftungen als Instrumente der Soft Power

Diese reichen „von Vertragsverletzungsverfahren über die Zurückhaltung von EU-Geldern bis hin zur Suspendierung von Rechten der Mitgliedschaft, wie zum Beispiel Stimmrechten im Rat der EU“. Damit nicht genug, soll die EU als „Garant für Freiheit, Frieden, Sicherheit und Wohlstand“ noch zusätzliche Instrumente an die Hand bekommen. So heißt es weiter im Koalitionsvertrag:

„Wir setzen uns für die Weiterentwicklung des Konditionalitätsmechanismus ein – hin zu einem umfassenderen Sanktionsinstrument bei Verstößen gegen die Grundwerte der EU.“

Während die „europäischen Werte“ innerhalb der EU verstärkt durch Disziplinierungsmaßnahmen behauptet werden sollen, will man auf internationaler Ebene dafür ein breiteres Instrumentarium nutzen.

So soll die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik als „wichtiges Element der Soft Power“ Deutschlands weiterentwickelt werden. Auch sie bleibe ein „strategisches Instrument im globalen Wettbewerb um Ansehen, Einfluss, Narrative, Ideen und Werte. Man werde sie und die strategische Auslandskommunikation „gezielt weiterentwickeln und als geopolitisches Instrument noch wirkungsvoller an unseren Werten und Interessen ausgerichtet einsetzen“.

„Wertegeleitete Interessenpolitik“ auf globaler Ebene

Außerdem unterstreicht der Koalitionsvertrag den „unverzichtbaren Beitrag“ der politischen Stiftungen zu „zur Stärkung der internationalen Zusammenarbeit, zu internationalen Partnerschaften und zur Demokratieentwicklung“. Deshalb wolle man sie stärken und ihre Stellung im Ausland schützen.

In mehreren Ländern, unter anderem der Türkei, waren die parteinahen Stiftungen zuletzt unter Druck geraten. Die dortigen Regierungen hatten ihnen vorgeworfen, zur Destabilisierung beizutragen oder gar „Regime Change“-Ambitionen zu fördern. Im Rahmen der „wertegeleiteten Interessenpolitik“ wolle man aber auch im Verhältnis zum Globalen Süden „Gesprächskanäle offenhalten und bei humanitären Krisen Unterstützung gewährleisten können“.

Chinapolitik essenziell

Im Verhältnis zu China will die neue Bundesregierung Zusammenarbeit suchen, „wo dies im deutschen und europäischen Interesse liegt“. Dies sei zum Beispiel bei der „Bewältigung globaler Menschheitsaufgaben“ der Fall. Bezüglich der handelspolitischen Beziehungen dränge man „auf die Einhaltung der vereinbarten Regeln und auf volle Reziprozität“.

Im Koalitionsvertrag wird auch festgestellt, dass „die Elemente systemischer Rivalität durch Chinas Handlungen mittlerweile in den Vordergrund gerückt sind“. Deshalb wolle man einseitige Abhängigkeiten abbauen und eine Politik des De-Riskings fortsetzen. Man wolle „China, wo nötig, mit Selbstbewusstsein und eigener Stärke gegenübertreten“.

Dafür sei „eine kohärente und eng innerhalb der EU und mit anderen Partnern abgestimmte Chinapolitik“ für Deutschland essenziell. Auf der „Basis unserer Ein-China-Politik“ wolle man aber auch die Beziehungen zu Taiwan fortentwickeln. Eine Veränderung des Status quo mit Blick auf die Insel dürfe es „nur friedlich und im gegenseitigen Einvernehmen“ geben.

Keine explizite Nennung „feministischer Außenpolitik“ mehr

Im Unterschied zum Koalitionsvertrag der Ampel enthalten die Aussagen zur Außenpolitik keine weiterreichenden ideologischen Festlegungen. So ist keine Rede mehr von einer „feministischen Außenpolitik“ – wenn man auch auf einer Unterfertigung der „Istanbuler Konvention“ durch alle EU-Länder drängt.

Die Entwicklungspolitik soll künftig „zugleich werte- und interessengeleitet“. Grundlegende Veränderungen in diesem Bereich müssten künftig „aktuelle geopolitische und ökonomische Realitäten stärker abbilden und gestalten“. Dabei hat man vor allem die Zusammenarbeit im Bereich der Steuerung und Begrenzung von Migration im Auge.

Inwieweit sich die Tonalität und das Auftreten der deutschen Regierung gegenüber der Ära Baerbock ändern wird, bleibt abzuwarten. Im politischen Alltag könnte die Betonung der „Werte“ ihre Grenze an Realitäten finden. Erst jüngst hatte Baerbock mit Empörung auf die Einladung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu nach Budapest reagiert.

Ungarn hatte damit demonstrativ den Haftbefehl jenes Internationalen Strafgerichtshofs ignoriert, den auch die künftige Regierung laut Koalitionsvertrag stärken will. Demgegenüber hatte der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz erklärt, sich eine Verhaftung des israelischen Regierungschefs im Fall einer Einreise nach Deutschland „nicht vorstellen“ zu können.



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