„Arbeitende Mitte“ muss warten – Merz rudert bei Steuersenkung zurück

Der wohl künftige Kanzler Friedrich Merz sieht die im Koalitionsvertrag von Union und SPD geplante Senkung der Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen unter Vorbehalt.
„Nein, die ist nicht fix“, sagte der CDU-Chef der „Bild am Sonntag“. „Wir hätten das in der Koalition mit den Sozialdemokraten gerne von Anfang an verabredet. Darüber hat es einen Dissens gegeben. Deswegen haben wir es offengelassen.“
Details blieben offen
Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD nennt keine Details zur Umsetzung, dort heißt es lediglich: „Wir werden die Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen zur Mitte der Legislatur senken.“ Das wäre in etwa zwei Jahren.
Friedrich Merz sagte nun: „Die Einkommensteuer, die wollen wir senken, wenn es der öffentliche Haushalt hergibt.“
Einen Finanzierungsvorbehalt für alle Maßnahmen im Koalitionsvertrag haben die Verhandler von CDU, CSU und SPD darin festgeschrieben. Bei Union und SPD gibt es unterschiedliche Interpretationen, ob das auf sämtliche Pläne zutrifft. SPD-Chef Klingbeil sieht es so, Unionsfraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) sagte hingegen, das betreffe nicht alle Vereinbarungen.
CDU/CSU hatten im Wahlkampf mit der Agenda 2030 von einer umfassenden Steuerreform gesprochen, insbesondere zur Einkommensteuer. Diese sollte schrittweise gesenkt werden, um die „arbeitende Mitte“ zu entlasten.
Der Steuersatz sollte flacher werden, um den „Mittelstandsbauch“ – eine hohe Steuerbelastung bei mittleren Einkommen – zu senken und der Solidaritätszuschlag wegfallen. Der Spitzensteuersatz sollte erhöht werden, ebenfalls der Grundfreibetrag.
Mindestlohn von 15 Euro laut Merz auch 2027 möglich
Merz äußerte sich auch zum Zeithorizont, in dem er mit einer Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro rechnet. Der Mindestlohn könne „bei dieser Höhe zum 01.01.2026 oder 2027 liegen“, sagte er der „Bild am Sonntag“. „Aber das bleibt die Aufgabe der Mindestlohnkommission, das in eigener Autonomie auch festzulegen.“
Im Koalitionsvertrag peilen Union und SPD das kommende Jahr an. Darin heißt es: „Für die weitere Entwicklung des Mindestlohns wird sich die Mindestlohnkommission im Rahmen einer Gesamtabwägung sowohl an der Tarifentwicklung als auch an 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten orientieren. Auf diesem Weg ist ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 erreichbar.“ Derzeit liegt der Mindestlohn bei 12,82 Euro pro Stunde.
Merz will eine kurze Pause
Nach den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD will Friedrich Merz erst einmal eine Pause. „Ich muss jetzt mal ein paar Tage Urlaub machen. Die letzten Monate waren extrem anstrengend.“
Der Wahlkampf sei unmittelbar übergegangen in die Sondierungsgespräche und die Grundgesetzänderung, dann die Koalitionsverhandlungen. „Es wird jetzt Zeit, dass ich in ein paar Tagen zur Ruhe komme.“
Vor der Kanzlerwahl im Bundestag müssen CDU und SPD den Koalitionsvertrag noch intern absegnen lassen. Die CDU ruft einen Kleinen Parteitag ein, die SPD hält ab Dienstag eine Mitgliederbefragung ab, die zwei Wochen dauern soll. Die CSU hat dem Vertrag schon zugestimmt. Merz rechnet damit, dass die neue Bundesregierung unter seiner Führung am 6. Mai ins Amt kommt, wie er dem „Handelsblatt“ sagte.
Im Rückblick seien die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD trotz vieler Kontroversen gut verlaufen, schilderte Merz. „Es war viel entspannter, als es manchmal so in der öffentlichen Berichterstattung zum Ausdruck kam.“
USA bleiben in der NATO
Merz ist sich sicher, dass die USA unter Präsident Donald Trump ungeachtet des aktuellen Zollstreits in der NATO bleiben werden. „Ich gehe davon aus, dass die Amerikaner unverändert zum Bündnis stehen“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Man werde den europäischen Teil der NATO sicher stärken müssen.
Zum Zollstreit erklärte Merz: „Ich interpretiere die Entscheidung der letzten Tage in Washington, diese Zölle jetzt für 90 Tage auszusetzen, auch als eine Reaktion auf den Schaden, der möglicherweise der eigenen Volkswirtschaft droht, wenn man so rigoros mit der Zollpolitik vorgeht.“
Der designierte Bundeskanzler glaubt, dass er in persönlichen Gesprächen mit Trump klarkäme. „Ich weiß, wie man in Amerika auch Small Talk miteinander macht, um darüber dann auch zum eigentlichen Thema zu kommen. Ich bin und bleibe ein großer Befürworter des Freihandels. Das gilt insbesondere in diesen schwierigen Zeiten.“
Nach seiner Amtseinführung: Zuerst Frankreich und Polen
Einen härteren Kurs kündigte der CDU-Chef gegenüber Russland an. „Wir erleben jeden Tag die Angriffe aus Russland auf unsere Dateninfrastruktur. Jeden Tag Propaganda, jeden Tag falsche Informationen auch der deutschen Öffentlichkeit über russische Kanäle. Dagegen müssen wir uns besser schützen. Das wollen wir tun.“
Nach seiner Amtseinführung will Merz zunächst Frankreich und Polen besuchen. „Ich werde sofort nach Paris zu Emmanuel Macron und auch sehr schnell nach Warschau zu Donald Tusk reisen. Mit der dortigen Regierung und mit dem Ministerpräsidenten Donald Tusk habe er ein persönlich sehr enges Verhältnis entwickelt. (dpa/dts/red)
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