Steuersenkung und 15-Euro-Mindestlohn: Union und SPD uneins über Umsetzung

Der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat eingeräumt, dass Beschäftigte in Deutschland finanzielle Einbußen befürchten müssen. Gegenüber der „Bild am Sonntag“ sagte Merz, die Sorge, dass viele Arbeitnehmer am Ende seiner Amtszeit netto weniger verdienen, sei „aus heutiger Sicht sicherlich nicht unberechtigt“.
Die im Koalitionsvertrag geplante Senkung der Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen sei „nicht fix“, und eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro „nicht verabredet“. Alle Vorhaben hängen von der Finanzierung ab. „Wenn es der öffentliche Haushalt hergibt“, wolle die Regierung die Einkommensteuer senken.
Steuerpolitisch sei er zu 90 Prozent mit dem Koalitionsvertrag zufrieden, sagte Merz bei ARD-Moderatorin Caren Miosga. Auf die Frage: „Unter Ihrer Kanzlerschaft wird es keine Steuererhöhungen geben?“, antwortete Merz: „Man soll nie ‚nie‘ sagen. Wir wissen nicht, was noch auf dieser Welt passiert.“
Linnemann: Senkung in 2 Jahren
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann stellte eine Senkung der Einkommensteuer in Aussicht, jedoch erst in zwei Jahren. Das sagte er am Sonntag in der ARD. Der Koalitionsvertrag lege eine Basis für Wachstum, was eine zukünftige Steuerentlastung ermögliche.
Die Entscheidung über einen Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 bleibt laut Linnemann offen. Darüber werde die Mindestlohnkommission und nicht der Deutsche Bundestag verhandeln. Dies sei im Koalitionsvertrag so vereinbart worden.
Einkommensteuersenkung zentral für SPD
Die SPD drängt auf eine Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen zur Mitte der Legislaturperiode. „Wer hart arbeitet, soll spürbar entlastet werden“, sagte Matthias Miersch. Deshalb sei im Koalitionsvertrag vereinbart, 2027 eine Einkommensteuerreform umzusetzen. Die Steuersenkung sei ein „zentrales Anliegen der SPD. Die Union wisse, „wie wichtig uns dieser Punkt ist“.
Aus Sicht von SPD-Generalsekretär Miersch ist auch die Mindestlohnerhöhung auf 15 Euro ab 2026 gesetzt. Ähnlich sehen es Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und SPD-Chef Lars Klingbeil.
Klingbeil betonte in der ARD, dass er von einem Mindestlohn von 15 Euro im nächsten Jahr ausgeht. „Es gilt das, was im Text steht“, sagte er im „Bericht aus Berlin“. „Wir halten die 15 Euro für erreichbar. (…) Wenn die Mindestlohnkommission sich an all die Kriterien hält, die mittlerweile auch in der Geschäftsordnung drinnen sind, dann erreichen wir 2026 die 15 Euro.“
Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek kritisierte, dass durch viele „schwammige Formulierungen im Koalitionsvertrag“ erst „Raum für Interpretationen“ entstehe. Für die SPD sei der Mindestlohn der große Erfolg in den Verhandlungen gewesen – Merz falle seinem Koalitionspartner mit seiner Aussage nun „brutal in den Rücken“.
Wagenknecht nennt Koalitionsvertrag „politischen Wackelpudding“
BSW-Parteichefin Sahra Wagenknecht nennt gegenüber den Funke-Zeitungen den Koalitionsvertrag einen „politischen Wackelpudding“.
Da alles unter Finanzierungsvorbehalt stehe, „hat sich Schwarz-Rot letztlich auf gar nichts geeinigt“. Da die Sozialbeiträge weiter steigen könnten, „droht die untere Einkommenshälfte die klare Verliererin unter Schwarz-Rot zu werden“.
René Springer (AfD-Abgeordneter) nannte die Diskussion über den Mindestlohn einen „ersten Härtetest“ der künftigen Regierungskoalition. Die AfD ihrerseits stehe zur Arbeit der unabhängigen Mindestlohnkommission – „nicht zu staatlich diktierten Löhnen“.
Grünen-Chef: „Wer zu einem kleinen Lohn hart arbeitet, soll weiter arm bleiben“
Grünen-Chef Felix Banaszak warf Union und SPD Planlosigkeit vor. „Woher sollen die Bürgerinnen und Bürger eigentlich noch wissen, wofür die neue Regierung steht?“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
„Ich ahne nichts Gutes, wie ein zukünftiger Kanzler schwierige Entscheidungen treffen wird, wenn er jetzt schon vor Lobbyinteressen in die Knie geht und diese lieber bedient, als die Mitte der Gesellschaft zu entlasten“, sagte Grünen-Chefin Franziska Brantner der „Süddeutschen Zeitung“.
Der Vize-Fraktionschef der Grünen, Andreas Audretsch, kritisierte den Koalitionsvertrag gegenüber der „Welt“ als „eine große Nicht-Einigung“.
Noch bevor Merz zum Kanzler gewählt sei, habe er dem 15-Euro-Mindestlohn schon eine Absage erteilt. „Wer zu einem kleinen Lohn hart arbeitet, soll weiter arm bleiben.“
Was steht im Koalitionsvertrag?
Im Koalitionsvertrag heißt es: „Wir werden die Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen zur Mitte der Legislatur senken“.
Zum Mindestlohn wurde formuliert: „Für die weitere Entwicklung des Mindestlohns wird sich die Mindestlohnkommission im Rahmen einer Gesamtabwägung sowohl an der Tarifentwicklung als auch an 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten orientieren. Auf diesem Weg ist ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 erreichbar.“
Einen gesetzlichen Automatismus gibt es nicht, die Festsetzung bleibt Aufgabe der Mindestlohnkommission.
(Mit Material der Nachrichtenagenturen)
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