„Völlig unmöglich“: Ex-Umweltsenator von Hamburg kritisiert neues Klimaziel bis 2040

In Kürze:
- Als Folge des Zukunftsentscheids muss Hamburg jetzt bis 2040 seine CO₂-Emissionen komplett auf null reduzieren.
- Der frühere Hamburger Umweltsenator Prof. Fritz Vahrenholt bezweifelt die Umsetzbarkeit der neuen Zielsetzung.
- Der Klimaentscheid setzt einige Haushalte unter Druck, da auch die Sektoren Privathaushalte und Verkehr Emissionen senken müssen.
- Große Unternehmen der Hansestadt sprechen die Risiken an, die diese beschleunigte Transformation auslösen kann.
Mit dem Hamburger Zukunftsentscheid vom Sonntag, 12. Oktober, hat sich der Stadtstaat für die kommenden 15 Jahre ein großes Ziel vorgenommen. Schon bis 2040 soll die „Klimaneutralität“ in der Hansestadt erreicht sein.
Die Großstadt will das Ziel somit fünf Jahre vor dem Bund und zehn Jahre vor der Europäischen Union erreichen. Weniger als jeder zweite Hamburger (43,6 Prozent) nahm an der Abstimmung teil. Am Ende stimmten rund 23 Prozent aller Wahlberechtigten für den neuen Zeitplan.
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„Unmögliche“ CO₂-Reduzierung?
Als Referenz dafür gilt die Menge der CO₂-Emissionen. In den vergangenen gut 20 Jahren sind diese bereits deutlich gesunken. Hat die Stadt im Jahr 2003 noch 19,54 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid freigesetzt, waren es 2023 nur noch knapp 11,7 Millionen Tonnen. Bis 2040 sollen diese Emissionen auf null sinken.

Entwicklung der CO₂-Emissionen von Hamburg. Rot: Verkehr, grün: Industrie, dunkelblau: Privathaushalte, hellblau: Gewerbe/Handel/Dienstleistung. Foto: Stadt Hamburg; © Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft
Laut dem früheren Umweltsenator von Hamburg, Prof. Dr. Fritz Vahrenholt, liegt die aktuelle Emission der Hansestadt bei 11,5 Millionen Tonnen CO₂. „Die Hälfte kommt aus Industrie und Gewerbe, jeweils ein Viertel aus dem Verkehr und den Haushalten“, erklärte der SPD-Politiker gegenüber der Epoch Times. Bezogen auf das neue Klimaziel fügte er hinzu:
„Es müssten jedes Jahr fast 1 Million Tonnen eingespart werden. Völlig unmöglich.“
Vahrenholt kritisierte, dass das Ergebnis des Zukunftsentscheids nur deswegen zustande kam, weil in der Stadt eine zu einseitige „Propaganda“ gefahren worden sei. Warnungen vor den „verheerenden Folgen“ für die Wirtschaft blieben laut Vahrenholt vonseiten der Stadtverwaltung aus.
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Was bedeutet der Klimaentscheid für Hamburg?
Künftig wird regelmäßig überprüft, ob sich die CO₂-Emissionen der Stadt ausreichend reduziert haben. Eine erste Schätzung ist für Juni 2026 geplant. Falls Hamburg das Ziel verfehlen sollte, muss der Senat reagieren. Dieser hat dann fünf Monate Zeit, entsprechende Maßnahmen zu beschließen. Denkbar seien Fahrverbote für Verbrennerfahrzeuge oder Einschränkungen für die Industrie.
Doch auch zahlreiche Haushalte sind mit der Zielverschärfung in der Pflicht. Haus- oder Wohnungseigentümer, die noch mit Erdöl oder Erdgas heizen, müssen sich Gedanken über einen Heizungstausch machen – unabhängig davon, ob ihre Heizanlage erst dieses Jahr erneuert wurde oder 30 Jahre alt ist. Fossile Heizsysteme müssen bis 2040 in der Hansestadt abgeschafft sein.
Als Betroffener äußerte sich am Montag, 13. Oktober, der 𝕏-Nutzer Alex. Er schrieb: „Meine moderne Gasbrenntherme läuft effizient, zuverlässig und günstig. Trotzdem soll ich sie irgendwann ersetzen müssen – durch teure Fernwärme oder eine Wärmepumpe, die für mein Haus gar nicht geeignet ist.“
Alex beklagte eine drohende finanzielle Mehrbelastung für ihn, da sein Haus noch nicht abbezahlt sei. „Ich bin grundsätzlich für direkte Demokratie, aber ehrlich gesagt zweifle ich daran, dass viele überhaupt überblicken, was sie mit solchen Entscheidungen anrichten“, teilte er mit.
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Kupferkonzern unter massivem Druck
Das vorgezogene Klimaziel setzt auch manche Firmen der Hamburger Industrie unter Druck. So blickt beispielsweise Aurubis eher pessimistisch in die Zukunft.
Gegenüber Epoch Times sagte ein Unternehmenssprecher des Kupferkonzerns: „Stand heute ist es sehr unwahrscheinlich, dass 2040 alle technischen Fragen für eine Dekarbonisierung der energieintensiven Industrie gelöst sind und ausreichend erneuerbare Energien zu international wettbewerbsfähigen Preisen zur Verfügung stehen.“
Aurubis erklärt dies damit, dass es „im Wettbewerb mit Metallproduzenten weltweit“ steht. Die Konkurrenz könne „teils unter deutlich geringeren Umwelt- und Klimaauflagen und mit wesentlich geringeren Energiekosten produzieren“.
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Somit gelten für den Hamburger Konzern schwierigere Bedingungen. Dabei unternimmt Aurubis laut eigenen Angaben seit Jahrzehnten größte Anstrengungen im Klima- und Umweltschutz.
„Schon heute liegt unser CO₂-Fußabdruck bei Kupfer mehr als 60 Prozent unter dem globalen Durchschnitt aller Kupferhütten, damit sind wir international führend“, schilderte der Konzern, der rund 2.800 Mitarbeiter im Werk Hamburg beschäftigt.
„Entsprechend ist eine weitere Beschleunigung der Klimaziele und damit deutlich frühere Verschärfung der Klimaauflagen für uns sehr nachteilig“, kritisierte der Unternehmenssprecher. „Das wird am Ende Arbeitsplätze in Hamburg kosten.“
Hamburger Ölraffinerie ist vorbereitet
Optimistischer blickt das Unternehmen Holborn auf das neue Hamburger Klimaziel. Holborn betreibt eine Mineralölraffinerie in Hamburg-Harburg. Diese verarbeitet Rohöl zu Benzin, Diesel oder Grundstoffen für die chemische Industrie.
„Der Hamburger Klimaentscheid hat keinen Einfluss auf unser Unternehmen“, teilte Pressesprecherin Daniela Frommann der Epoch Times mit. Im Rahmen der unternehmenseigenen Transformation „Grüne Raffinerie 2030“ findet bereits eine schrittweise Umstellung der Herstellungsprozesse statt, wobei diese laut Frommann klimaneutral werden.
„Ein großer Meilenstein wird bereits 2027 mit der Inbetriebnahme unserer Green-Diesel-Produktionsanlage erreicht. Wir sind so aufgestellt, dass wir unsere Produktschiene jeweils den Marktbedingungen anpassen können“, fügte Frommann hinzu.
Allerdings sieht der Betrieb auch eine gewisse Unsicherheit. „Zu den Risiken zählt aber gewiss die Tatsache, dass das Investitionsklima in der Hansestadt darunter leiden wird“, so Frommann.
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Stahlkonzern stellt Bedingungen für erfolgreiche Umstellung
Ein für den Industriestandort Hamburg wichtiges Unternehmen ist auch der weltweit führende Stahl- und Bergbaukonzern ArcelorMittal. Dieser hat es sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2050 weltweit Stahl mit Netto-Null-Emissionen zu produzieren, wie der Pressesprecher Arne Langner mitteilte.
An den europäischen Standorten soll dies demnach „schon viel früher“ erfolgen, allerdings nur, „wenn die politischen und wirtschaftlichen Bedingungen stimmen“. Langner wies darauf hin, dass ArcelorMittal Stahl nach einem Verfahren herstellt, „das im Vergleich zur herkömmlichen Hochofenproduktion rund 60 Prozent weniger CO₂-Emissionen verursacht“.
Der Pressesprecher betonte jedoch: „Damit wir die nächsten Schritte in der Transformation gehen können, sind wir dringend auf wirksame Handelsschutzmaßnahmen, einen CO₂-Grenzausgleich ohne Schlupflöcher, wettbewerbsfähige und planbare Energiekosten sowie die Entwicklung grüner Leitmärkte angewiesen.“
Zu dem Zukunftsentscheid hat sich auch der Hamburger Industrieverband geäußert. Die Folgen des Ergebnisses seien eine „Deindustrialisierung made by Hamburg“. Der Verband erwartet für die kommenden Jahre am Wirtschaftsstandort Hamburg Produktionsverlagerungen und Arbeitsplatzabbau.
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Senat
Am Montag äußerten sich der Erste Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher und die Umweltsenatorin Katharina Fegebank zum Ergebnis des Volksentscheids. „Der Volksentscheid war erfolgreich“, teilte Tschentscher mit. Entsprechend werde das Hamburger Klimaschutzgesetz geändert.
Tschentscher wie auch Fegebank fordern allerdings Bund und die EU auf, ebenfalls den entsprechenden Klimahebel umzulegen. „Alleine werden wir das nicht packen“, sagte die amtierende Umweltsenatorin. Welche gesetzlichen Maßnahmen der Hamburger Senat dazu künftig verabschieden wird – sofern nötig –, teilte dieser aber noch nicht mit.
Hamburg ist nicht das erste Bundesland, das die Klimaneutralität bis 2040 gesetzlich beschlossen, von der Landesregierung geplant oder im Koalitionsvertrag vereinbart hat. Diese Bestrebung besteht auch in Bayern, Baden-Württemberg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz.
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