Bei Netzstabilität „drumherumgeredet oder falsch“: „Mr. Blackout“ äußert sich zu Kleiner Anfrage

Mehrere Bundestagsabgeordnete haben eine Kleine Anfrage mit 16 Fragen zur Stabilität der deutschen Stromnetze mit Fokus auf die Energiewende gestellt. Der Energieexperte Stefan Spiegelsperger hat die Fragen und Antworten bewertet und teilt uns seine Einschätzung im Exklusivinterview mit.
Kleine Anfrage
Der Energieexperte Stefan Spiegelsperger bewertet die Antworten auf eine Kleine Anfrage zur Stabilität der deutschen Stromnetze.Foto: MR1805/iStock, Collage: Epoch Times
Von 26. Oktober 2025

In Kürze:

  • Einige Oppositionspolitiker stellten der Bundesregierung im Rahmen einer Kleinen Anfrage Fragen zur Netzstabilität.
  • Dem Energieexperten und YouTuber Stefan Spiegelsperger ist eine gute Antwort des Bundes zur Versorgungssicherheit aufgefallen.
  • Von den meisten anderen war er nicht überzeugt und sprach teils von Themaverfehlung.
  • Spiegelsperger hält die deutschen Stromnetze für relativ instabil und rät Bürgern, sich auf mögliche Ausfälle vorzubereiten.

 

Die Bundesregierung hat kürzlich eine Kleine Anfrage zur Stromversorgung beantwortet. Darin haben mehrere Bundestagsabgeordnete anhand von 16 Fragen die Sorge geäußert, dass es durch die Energiewende „zunehmend zu schweren und bald unlösbaren Problemen“ kommen könnte.

Zur besseren Einordnung der Thematik steht im Interview der Energieexperte und YouTuber Stefan Spiegelsperger, alias Mr. Blackout, Frage und Antwort.

Herr Spiegelsperger, von welchen Problemen sprechen die Fragesteller?

Die Fragesteller sprechen von mehreren Problemen, die jetzt durch die Energiewende immer häufiger auftreten. Wir bauen Kraftwerke wie Kohle und Kernkraft zurück. Kraftwerke, die Leistung gebracht haben, wenn wir sie benötigt haben. Diese ersetzen wir durch Solar und Wind, die dann liefern, wenn die Sonne scheint beziehungsweise wenn der Wind geht.

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Dass das nicht spurlos am Stromnetz vorbeigeht, sollte jedem klar sein, der Physik in der neunten Klasse gehabt hat und ein bisschen von Elektrotechnik versteht. Denn wir müssen genauso viel Strom produzieren, wie wir Strom verbrauchen – und zwar in jeder einzelnen Sekunde. Und genauso muss auch der erzeugte Strom immer in dieser einen Sekunde verbraucht werden.

Das wird immer schwieriger, wenn es Millionen von Anlagen gibt, die dann liefern, wenn der Wind weht, so wie jetzt aktuell.

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Was ist in den Fragen zum Blackout-Risiko aufgeführt? Auf welche Quellen haben sich die Fragesteller berufen?

Die Fragesteller haben zuerst erklärt, dass es schwieriger wird, das ganze Netz mit Solar und Wind stabil zu halten. Als Quellen verwenden sie Berichte der „Tagesschau“, aber auch von ENTSO-E, dem Verband europäischer Übertragungsnetzbetreiber.

Sie erwähnten auch meine Videos, zum Beispiel eins vom 19. August 2024. Da hatten wir in Deutschland ein großes Problem, das keiner mitbekommen hat. Über mehrere Stunden hatten wir massive Schwingungen im Netz, ähnlich wie in Spanien, welche dort letztlich zum Blackout geführt haben. Eine weitere Quelle war das „Handelsblatt“. Die Abgeordneten haben beschrieben, dass die Energieversorger und die Verteilernetzbetreiber warnen.

Sie erwähnten auch, dass man Solar relativ schlecht abregeln kann. Gerade die kleinen Anlagen sind nicht abzuregeln. Deswegen haben wir teilweise zu viel Strom. So wie jetzt. Am Freitagmittag [24. Oktober] haben wir rund 14 Gigawatt zu viel im Netz. Das entspricht zehn Kernkraftwerken, die zu viel am Netz wären, die Strom einspeisen, den wir gar nicht benötigen.

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Wie fielen die Antworten der Bundesregierung aus und wie bewerten Sie diese?

Es gab tatsächlich eine gute Antwort. Der Rest blieb eher unbeantwortet. Man müsste fast von Themaverfehlung sprechen. Gut beantwortet war, dass sie die Versorgungssicherheit in drei Teile aufgeteilt hat.

Einmal die marktseitige Versorgungssicherheit, also ob immer genug Strom für uns vorhanden ist. Als Nächstes die netzseitige Versorgungssicherheit, also ob das Stromnetz den Strom transportieren kann. Ganz wichtig ist eben die Systemstabilität. Wie stabil ist unser Netz? Wie nah sind wir einem Blackout, wie er in Spanien passiert ist? Das war das Positive.

Ansonsten hat sie sich fast immer auf den Systemstabilitätsbericht berufen, auf ihre Roadmap, Berichte von der Bundesnetzagentur. Sie hat aber auch erwähnt, dass sie sich bereits mit dem Thema Blindleistung auseinandersetzt, die zur Spannungssteuerung benötigt wird, die Wind und Solar nicht so gut beherrschen.

Dann wurde nachgefragt, ob es kritische Situationen oder Beinahe-Blackouts gegeben hat. Und die Antwort der Bundesregierung? Ihr sind keine Vorfälle bekannt. Den 19. August 2024 könnte man da anführen und die vielen anderen Schwankungen, die der Bundesregierung nicht bekannt sind. Nach dem Motto: „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.“

Genauso die Frage, ob es irgendwann Brownouts in Deutschland gab, also kontrollierte Stromabschaltungen, weil zu wenig Strom da war. Auch hier sind der Bundesregierung keine Vorfälle bekannt. Man hat sich also bei vielen Dingen einfach herausgewunden. Auf die guten Fragen gab es leider ganz selten eine vernünftige Antwort.

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Erst am 9. Oktober verkündeten die Nachrichtenagenturen, dass es in Deutschland im Jahr 2024 zu kürzeren Stromunterbrechungen als im Vorjahr kam. Ist das nicht ein Hinweis auf stabile deutsche Netze?

Leider nicht. Wir stehen zwar beim sogenannten System Average Interruption Duration Index (SAIDI) im europäischen Vergleich sehr gut da. Er zeigt an, wie viele Minuten pro Jahr die Deutschen im Durchschnitt keinen Strom hatten, das würde man als Versorgungssicherheit bezeichnen.

Allerdings fehlen dort viele Faktoren wie Naturkatastrophen. Wenn es um das Thema Blackout, also um einen großflächigen Stromausfall geht, dann muss man auf die Systemstabilität schauen. Wir haben mehrere Netzebenen. Der SAIDI wird im Verteilernetz gemessen, in dem unsere Steckdosen mit 230 Volt angeschlossen sind, und im Mittelspannungsnetz mit zum Beispiel 20.000 Volt Netzspannung. Die Systemsicherheit wird aber beim Höchstspannungsnetz mit zum Beispiel 400.000 Volt gemessen.

Was ist da zu beobachten?

Bei der Systemstabilität ist ein anderer Wert maßgeblich. Das sind die sogenannten Redispatchmaßnahmen, die Notfalleingriffe, das Engpassmanagement.

In einem Fall wie heute mit zu viel Windstrom im Norden und keiner Sonne im Süden – also dort zu wenig Strom – muss der Strom vom Norden in den Süden geleitet werden, wo er benötigt wird. Aber dafür fehlen uns schlichtweg die Leitungen. Wenn wir da nicht reagieren würden, käme es im Norden zu einer massiven Überlastung der Leitungen. Das Netz würde sich abschalten, weil die Sicherungen fliegen.

Um das zu vermeiden, schalten die Netzbetreiber Windräder ab. Dieser Vorgang wird als negativer Redispatch bezeichnet. Weil gleichzeitig im Süden immer noch Strom fehlt, werden dort zum Beispiel Gaskraftwerke dazugeschaltet, um den Mangel auszugleichen. Das ist der Redispatch. Vor 20 Jahren gab es rund drei bis sechs Notfalleingriffe im Jahr, im letzten Jahr waren es 17.200 Eingriffe – Tendenz steigend. Das zeigt, dass unser Netz immer instabiler wird.

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Was muss sich in der Energiepolitik ändern, damit die Stromversorgung in Deutschland stabiler wird und ein Blackout vermieden werden kann?

Tatsächlich müsste man alle Solaranlagen steuerbar machen. Dazu gibt es das neue Solarspitzengesetz, wonach jetzt alle Anlagen über 7 Kilowatt Nennleistung steuerbar sein müssen. Das ist allerdings ungünstig für die Betreiber einer solchen Anlage. Denn weil die Sonne mittags scheint, wollen sie ihren eigenen Strom verwenden, um womöglich ihren eigenen Stromspeicher aufzuladen. Und dann wird ihnen die Anlage abgeschaltet, weil zu viel Strom im Netz ist.

Das heißt, sie können ihre eigene Solaranlage nicht nutzen und müssen Strom einkaufen. Wir haben alleine in fünf Monaten fast 800.000 neue Kraftwerke dazugebaut, und da kann kein Mensch erwarten, dass das Stromnetz das bewältigen kann. Das kann nicht funktionieren.

Wenn man es richtig machen würde, müsste man ab heute den Solar- und Windzubau stoppen und gleichzeitig den Abbau von Kohlekraftwerken. Aus elektrotechnischer Sicht würde ich gerne die Kernkraftwerke reaktivieren, weil die 93 Prozent des Jahres stabil durchgelaufen sind. Sie haben zudem eine hohe Momentanreserve und eine sehr gute Blindleistungssteuerung. Damit wird ein Netz stabiler.

In Spanien sind zwei von fünf [Kernkraftwerken] ausgefallen, schon kam es zum Blackout. Das zeigt doch, wie stabil solch ein Kernkraftwerk ein Netz macht – oder nicht macht, wenn es nicht da ist.

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Verhindert die Ihrer Ansicht nach dürftige Beantwortung der Kleinen Anfrage durch die Bundesregierung, dass es im Stromsystem zu Verbesserungen kommt?

Ja, so würde ich das sagen. Die Antworten waren entweder drumherumgeredet oder falsch. Es wurde an einer Stelle nach der gesicherten Leistung aus erneuerbaren Energien gefragt. Die Regierung beantwortete dies mit dem Durchschnittswert von 55 Prozent. Die gesicherte Leistung heißt aber: Was stand 24 Stunden, 365 Tage zur Verfügung? Das hat man gar nicht beantwortet.

Das Problem ist aber, dass der Durchschnittswert mich als Elektriker gar nicht interessiert, weil ich dafür sorgen muss, dass der Strom, der verbraucht wird, auch produziert wird – in jeder einzelnen Sekunde.

Die wichtigen Fragen wurden nicht beantwortet. Ganz interessant war noch, dass es hieß, dass Leistungsabwürfe, Notstrommaßnahmen und Beinahe-Versorgungsunterbrechungen erfasst würden. Eine Veröffentlichung dieser Informationen ist aber gesetzlich nicht vorgesehen. Für den Bürger bedeutet das, dass er es nicht weiß, nach dem Motto: „Die Antwort könnte dich verunsichern.“ Dementsprechend wird sich nichts ändern und wir werden weiterhin unser Stromnetz immer instabiler machen.

Was bedeutet das für die Bürger?

Ich kann jedem nur raten, sich vorzubereiten, dass auch mal der Strom für mehrere Tage nicht da ist, so wie es in Spanien und Tschechien der Fall war. Wir haben immer mehr Beispiele.

Die Einschläge kommen näher und unser Netz wird mit jedem Jahr instabiler. Wir haben derzeit das instabilste Stromnetz, das dieses Land in den letzten 50 Jahren hatte. Es ist zwar immer noch stabiler als in vielen anderen Ländern, für deutsche Verhältnisse jedoch sehr instabil.

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Deswegen sollte man sich darauf vorbereiten. Was ist, wenn Supermärkte mehrere Tage lang nicht funktionieren? Keine Tankstelle, kein Handy, kein Internet, kein Telefon? Wie kommuniziere ich? Wo bekomme ich Wasser her? Was trinke ich, was esse ich? Was ist, wenn die Heizung nicht funktioniert? All diese Fragen stellen sich bei einem Stromausfall.

Vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Maurice Forgeng. Bearbeitung mk.

Das Dokument mit den Fragen der AfD-Abgeordneten und den Antworten der Bundesregierung ist hier abrufbar: Drucksache 21/2161

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.



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