Mikrobiom – wie Ihre Bakterien über Gesundheit, Stimmung und sogar Medikamente mitentscheiden

Unser Mikrobiom weist weit mehr Gene auf als wir selbst und entscheidet nicht nur, wie gut wir Nahrung vertragen. Welche Rolle das komplexe Ökosystem der Mikroben für unsere Gesundheit spielt und wie wir sie unterstützen können, erklärt Gastautor und Heilpraktiker René Gräber in seiner wöchentlichen Kolumne bei Epoch Times.
Mikrobiom – Wie Ihre Bakterien über Gesundheit, Stimmung und sogar Medikamente mitentscheiden
Man braucht keine exotischen Wundermittel. Das Mikrobiom reagiert auf einfache, konsequente Alltagsentscheidungen.Foto: RossHelen/iStock
Von 1. August 2025

In Kürze:

  • Das menschliche Mikrobiom ist ein hochkomplexes Ökosystem mit rund 40 Billionen Mikroorganismen, die uns von innen und außen besiedeln.
  • Über 99 Prozent der genetischen Information in unserem Körper stammen nicht von uns, sondern von unseren Mikroben.
  • Forscher sprechen hinsichtlich Krankheiten vom „neurodegenerativen Ursprung im Verdauungstrakt“.
  • Die Pflege unseres Mikrobioms erfordert keine exotischen Wundermittel. Es reagiert auf einfache, konsequente Alltagsentscheidungen – allen voran die Ernährung.

 

In meiner Praxis habe ich eine Erfahrung unzählige Male gemacht: Wenn Patienten erschöpft, antriebslos oder depressiv sind, liegt die Ursache oft nicht im Kopf, sondern im Bauch. Viele Beschwerden, die als „psychisch“ abgetan werden, entstehen in Wirklichkeit im Verdauungstrakt, genauer gesagt im Mikrobiom, jenem biologischen Netzwerk aus Bakterien, Pilzen, Viren und Archaeen, das unser innerstes Gleichgewicht mitgestaltet.

Der Darm ist dabei weit mehr als ein Verdauungsorgan. In ihm lebt ein hochkomplexes Ökosystem – komplexer als ein Regenwald. Rund 40 Billionen Mikroorganismen besiedeln uns von innen und außen.

Ist der Darm gesund und in Balance, ist es auch der Körper. Foto: RossHelen/iStock

Einige der darin enthaltenen Viren, sogenannte Bakteriophagen, greifen gezielt bestimmte Bakterien an und regulieren so deren Zusammensetzung – ein ausgeklügeltes, weitgehend autonomes Kontrollsystem, das lange unterschätzt wurde.

Auch Archaeen wie Methanobrevibacter smithii sind alles andere als harmlos. Sie beeinflussen den Energiehaushalt und stehen im Verdacht, chronische Verstopfung zu begünstigen. All das geschieht unbemerkt und doch entscheidet dieses Netzwerk mit über Gesundheit, Gewicht, Stimmung und sogar darüber, ob Medikamente überhaupt wirken.

Wir sind mehr Mikrobe als Mensch

Das Mikrobiom bringt es auf rund 2 Kilogramm, umfasst über 1.000 bekannte Arten und enthält etwa 3,3 Millionen Gene. Zum Vergleich: Der menschliche Körper verfügt über gerade einmal rund 20.000 Gene. Über 99 Prozent der genetischen Information in unserem Körper stammen also nicht von uns, sondern von unseren Mikroben. Das zeigt, dass sich Gesundheit nicht allein aus unseren Genen ableiten lässt. Wer die Mikroben ignoriert, übersieht einen der größten Einflussfaktoren.

Dieses Mikrobiom hilft uns bei der Nährstoffverwertung, bildet Vitamine wie K2 und bestimmte B12-Formen, stärkt die Darmschleimhaut und produziert kurzkettige Fettsäuren. Außerdem wirkt es wie eine Art „biologischer Türsteher“ und entscheidet mit, was ins Blut gelangt und was draußen bleibt.

Besonders eindrucksvoll: Über 90 Prozent des Serotonins, des Botenstoffs für Antrieb, Schlaf und Stimmung, werden nicht im Gehirn gebildet, sondern in der Darmschleimhaut. Die Taktgeber? Mikrobielle Signale – vorausgesetzt, die Besiedlung stimmt.

[etd-related posts=“5114158,5007772″]

Wenn Bakterien gegen uns arbeiten

Ist das Mikrobiom gestört, wird die Darmschleimhaut durchlässig. Es kann ein sogenanntes Leaky-Gut-Syndrom entstehen. Dann gelangen Toxine, Bakterienfragmente oder unvollständig verdaute Nahrungsbestandteile in die Blutbahn. Die Folge: stille Entzündungen, diffuse Beschwerden – und keine klare Diagnose.

Leaky-Gut-Syndrom

Bei dem sogenannten Leaky-Gut-Syndrom wird die Darmwand aufgrund von falscher Ernährung, Medikamenten oder Umweltgiften durchlässig. Die Folge: Es gelangen Stoffe ins Blut, die dort nichts zu suchen haben. Foto: nach ttsz/iStock

Viele Patienten leiden unter Müdigkeit, Hautausschlägen, Reizdarm, Gewichtszunahme oder Stimmungsschwankungen, doch die Laborwerte sind unauffällig. Kein Befund, keine Therapie. Die Patienten sind krank, aber im System gelten sie als gesund.

Inzwischen zeigen Studien, dass auch Parkinson, Alzheimer und chronische Depressionen mit mikrobiellen Störungen im Darm verknüpft sein könnten. Manche Forscher sprechen mittlerweile sogar vom „neurodegenerativen Ursprung im Verdauungstrakt“.

Was unser Mikrobiom zerstört – oft unbemerkt

Antibiotika wirken nicht selektiv, diese töten auch die „Guten“. Dazu kommen industriell veränderte Lebensmittel, Emulgatoren, künstliche Süßstoffe wie Sucralose, ein Übermaß an Zucker, ein Mangel an Ballaststoffen. Aber auch Kaiserschnittgeburten, fehlendes Stillen, übertriebene Hygiene in der Kindheit und Dauerstress schaden der mikrobiellen Vielfalt.

Lebensmittel mit hohem Ballaststoffgehalt sind gut für das Mikrobiom

Lebensmittel mit hohem Ballaststoffgehalt. Foto: marilyna/iStock

Tückisch ist, dass sich die Folgen oft erst Jahre später zeigen – leise, schleichend, mit Symptomen, die sich schulmedizinisch kaum einordnen lassen und deshalb häufig oder immer noch in die Psychoecke geschoben werden.

In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Mikrobiomforschung explosionsartig entwickelt. Heute weiß man, dass der Zustand der Darmflora über Immunreaktionen, Autoimmunerkrankungen, Medikamentenwirksamkeit und sogar darüber mitentscheidet, ob moderne Krebstherapien überhaupt anschlagen.

Auch bei psychischen Erkrankungen zeigen sich bestimmte „bakterielle Muster“. Selbst bei Diabetes, Multipler Sklerose oder rheumatoider Arthritis spielt die Zusammensetzung des Mikrobioms offenbar eine größere Rolle als lange gedacht. Die Bilanz: Wer das Mikrobiom stärkt, stärkt den ganzen Menschen: körperlich, mental und immunologisch.

Füttern Sie die Richtigen

Die gute Nachricht: Man braucht keine exotischen Wundermittel. Das Mikrobiom reagiert auf einfache, konsequente Alltagsentscheidungen – allen voran die Ernährung. Besonders wirksam sind fermentierte Lebensmittel wie rohes Sauerkraut, Kimchi, milchsauer eingelegte Gurken, Kombucha, Joghurt oder Kefir. Sie liefern lebendige Milchsäurebakterien wie Lactobacillus und Bifidobacterium, die direkt auf das Mikrobiom wirken.

Nur ungekochte, unpasteurisierte Produkte enthalten diese Kulturen. Gekühlte Fermente aus Bioladen oder Eigenproduktion sind deutlich wirksamer als Supermarktware aus dem Dosenregal.

[etd-related posts=“3023418,2945238″]

Ebenso zentral sind präbiotische Ballaststoffe. Diese füttern die „guten“ Bakterien und fördern die Bildung kurzkettiger Fettsäuren wie Butyrat, welches die Darmschleimhaut schützt und Entzündungen hemmt. Geeignet sind Chicorée, Topinambur, grüne Bananen, Haferkleie, Leinsamen und Flohsamenschalen.

Wer zusätzlich Zucker, Fertigprodukte, künstliche Süßstoffe und unnötige Medikamente meidet, schafft ein Milieu, in dem die richtigen Bakterien gedeihen und die falschen verschwinden. Auch Bewegung, Schlaf und gezielte Entspannung über den Vagusnerv beeinflussen das Mikrobiom und damit indirekt Stimmung, Abwehr und Energie.

Von süß zu schädlich: Die unbemerkte Gefahr von raffinierten Zucker

Herkömmlicher weißer Zucker wird aus Zuckerrüben gewonnen. Foto: mescioglu/iStock

In der Naturheilkunde arbeiten wir seit Jahrzehnten mit Darmsanierung, Bitterstoffen, pflanzlichen Probiotika, Heilerde, Fastenkuren – lange belächelt, heute vielfach bestätigt. Fasten etwa fördert die Autophagie, also die Selbstreinigung auf Zellebene, und verändert messbar die mikrobielle Zusammensetzung.

[etd-related posts=“5195823″]

Myrrhe, Kamille, Wermut, Berberitze oder Kapuzinerkresse wirken regulierend, nicht desinfizierend. Sie „räumen auf“, ohne das System zu zerstören. Und genau das ist der neue Ansatz. Es geht nicht darum, „gegen Bakterien“ zu kämpfen, sondern mit ihnen zu kooperieren.

Essbare Blumen: Nr. 5 - Kapuzinerkresse

Kapuzinerkresse (Tropaeolum). Foto: Elisabeth Schittenhelm/iStock

Fazit: Gesundheit beginnt im Darm

Wir sind kein Einzelwesen. Wir sind ein biologisches Kollektiv und unsere Mikroben sind keine Passagiere, sondern Mitgestalter. Es sind nicht die Gene, die täglich entscheiden, wie wir uns fühlen.

Es sind auch die Bakterien, die wir zwischen Frühstück und Abendbrot füttern. Oder zugespitzt: Wir sind nicht, was wir essen, sondern das, was unsere Bakterien daraus machen. Dieser Ausspruch kommt Ihnen sicher bekannt vor. Machen Sie etwas daraus.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion